Donnerstag, 26. April 2012

vom ende in die mitte

Ihr seid jetzt vielleicht etwas verwirrt, warum ich vom Enddialog zwischen Faust und Gretchen jetzt plötzlich zur Szene "Wald und Höhle" springe, aber seht es mir nach. Ich kenne die Geschichte schließlich schon. Chronologische Ordnung ist doch nur was für Menschen.

Die Frage, die sich euch vielleicht stellt, ist: Warum soll gerade "Wald und Höhle" den Mittelpunkt des Dramas darstellen? Ich kann es euch sagen:
Der Gelehrte Faust zieht ein Résumee unserer Erlebnisse und scheint bereits recht zufrieden zu sein, mit dem, was ich ihm geboten habe (V.3217-3239). Doch Unersättlichkeit macht sich bei ihm breit (V.3247-3250).
Er ist nie ganz zufrieden, er hat immer etwas auszusetzen (V.3261-3264)! Wie soll man es ihm dann Recht machen? Da denkt man, man hat seine Wunschliste irgendwann einmal abgearbeitet und Faust will einfach immer mehr! Und genau deshalb bildet diese Szene den Mittelpunkt des Dramas: Wir sind noch lange nicht am Ende angelangt. Auch wenn es fast so klingt, als würde Faust aus unserem Pakt aussteigen wollen, um Gretchen zu schonen (V.3326-3329). Dürfte ich noch einmal erfahren, warum ich die ganze Chose überhaupt veranstaltet habe?! Es könnte alles so einfach sein, aber die Menschen quälen sich viel zu gerne (V.3339-3342).
Jedoch: "Nichts Abgeschmackteres find ich auf der Welt, / Als einen Teufel der verzweifelt"! (V.3373)


Alle Versangaben beziehen sich auf die Reclam-Ausgabe von "Faust - Der Tragödie erster Teil" geschrieben vom werten Johann Wolfgang von Goethe.

Donnerstag, 19. April 2012

Dinge, die nicht gesagt wurden

Na, wie konnte denn das passieren? Menschen sehen sich, verlieben sich in einander, verbringen eine schöne Zeit miteinander und dann - geht plötzlich alles schief. So geschehen bei unseren potenziellen Traumpaarkandidaten Faust und Gretchen. Ihr haltet mich jetzt vielleicht für pietätlos, aber so bin ich nun mal. Ich bin der Teufel.
Doch das Ende dieser Beziehung hinterlässt eine Leere, viele Dinge sind nicht gesagt worden. Ein rückblickender Dialog zwischen Faust und Gretchen könnte ungefähr so aussehen:

Faust: Gretchen, ich habe dich vermisst.
Gretchen: (schweigt.) 
Faust: Wie geht es dir?
Gretchen: Ich fühle mich zerrissen. Mein Leben ist kaputt.
Faust: Ich fühle mich verantwortlich.
Gretchen: Meine Identität... Ich weiß nicht mehr, wer ich bin.
Faust: Ich war so egoistisch.
Gretchen: Ich war egoistisch.
Faust: Du warst die personifizierte Unschuld, deshalb habe ich mich in dich verliebt.
Gretchen: Ich habe Schuld auf mich geladen. Tonnenschwere Schuld. Das kann ich nie wieder gutmachen.
Faust: Du warst mein Ideal von Frau. War es die Realität, die uns korrumpiert hat?
Gretchen: Ich war schwach. Ich bin schwach.
Faust: Und ich bin nicht stark genug.

Mittwoch, 18. April 2012

Gretchen ist verliebt...

Ich habe ein Herz für die Menschen. Ich weiß nicht sicher, ob ich im anatomischen Sinne ein Herz habe, aber ich habe etwas für die Menschen übrig. Diese ganzen Gefühle, mit denen ich konfrontiert werde, seit ich mich Faust angenommen habe, sind äußerst interessant.Ganz vorne an der Gefühlsfront ist des Gelehrten Liebste in spe Gretchen.
Allein sitzt sie zu Haus an ihrem Spinnrad und singt. Und wenn es nach mir gegangen wäre, wäre es nicht dieser angestrengte Text von Herrn von Goethe gewesen, den ihr in der Reclamausgabe auf Seite 98 und 99 findet. Solche Lieder sind bei der heutigen Jugend nicht sonderlich angesagt und da ich mich nun mal dem Blog, einem der heute angesagtesten Mittel bediene, um meine Meinung zu verbreiten, wähle ich das Lied "Nicest Thing" der britischen Sängerin Kate Nash, um euch die Gefühle Gretchens klar zu machen:
All I know is that you're so nice,
You're the nicest thing I've seen.
Gretchen ist ziemlich verliebt in Faust. Sie ist beeindruckt von ihm, von seiner Statur, seinem Auftreten, seinem Charisma (V.3394-3400).
I wish that we could give it a go,
See if we could be something.
Sie will mit ihm zusammen sein (V.3406-3409).
I wish I was your favourite girl,
I wish you thought I was the reason you are in the world.
I wish my smile was your favourite kind of smile,
I wish the way that I dressed was your favourite kind of style.

I wish you couldn't figure me out,
But you always wanna know what I was about.
Gretchen hat starke Gefühle für Faust und sie will, dass er ihre Liebe erwidert und dass er sie als etwas besonderes sieht. (Ich weiß allmählich so viel über die Menschen, dass ich weiß, dass das jedes Mädchen will.)
I wish you'd hold my hand when I was upset,
I wish you'd never forget the look on my face when we first met.

I wish you had a favourite beauty spot that you loved secretly,
'Cause it was on a hidden bit that nobody else could see
Basically, I wish that you loved me,
I wish that you needed me,
Sie hat ziemlich genaue Vorstellung davon, was sie sich alles wünscht, aber im Grunde läuft es auf diese einfache Zeile hinaus: "Ich wünsche mir, dass du mich liebst."
I wish that you knew when I said two sugars, actually I meant three.
I wish that without me your heart would break,
I wish that without me you'd be spending the rest of your nights awake.
  Ich bin mir sehr sicher, dass alles, was in diesem Text beschrieben ist, auf das lyrische Ich zutrifft, es sich also vom Gegenüber genau die gleiche emotionale Reaktion wünscht, die bei ihm selbst hervorgerufen wird. In dem Lied, das Goethe für Margarete geschrieben hat, geht es vor allem um Sehnsucht (V.3382-3389). Ihr Herz würde brechen, ihre Nächte schlaflos sein, wenn Faust sie nicht wollen würde.
I wish that without me you couldn't eat,
I wish I was the last thing on your mind before you went to sleep.
 Diese Zeilen sprechen für sich.
All i know is that you're the nicest thing I've ever seen;
And I wish that we could see if we could be something
And I wish that we could see if we could be something

Das muss Liebe sein, nicht wahr?



Songtext-Quelle: http://www.magistrix.de/lyrics/Kate%20Nash/The-Nicest-Thing-198519.html 

Alle Versangaben beziehen sich auf die Reclam-Ausgabe von "Faust - Der Tragödie erster Teil" geschrieben vom werten Johann Wolfgang von Goethe

Mephisto-Man Can!

ENDLICH ist es so weit! ENDLICH habe ich ihn am Haken, den rast- und ratlosen Faust! Ich habe mich wirklich im Hintergrund gehalten und habe beobachtet, wie es mit ihm voranging. Oder auch eher nicht voranging; er dreht sich, wie ich bereits erwähnt habe, schon einige Zeit im Kreis. Gut, dass ich die Dinge nun in die Hand nehmen kann!

FAUSTS WUNSCHLISTE
  1. am Ende des Tages zufrieden sein (V.1692)
  2. sich selbst mögen (V.1695)
  3. endlich genießen (V.1696)
  4. sagen zu können: "[Augenblick,] Verweile doch! du bist so schön!" (V.1699-1700)
Ihr fragt euch vielleicht, ob ich fähig bin, diese Wünsche zu erfüllen. Und ich sage: Ja. Ich habe Mittel und Wege, die ihr euch nicht vorstellen könnt.
Es gibt einiges zu tun!



Alle Versangaben beziehen sich auf die Reclam-Ausgabe von "Faust - Der Tragödie erster Teil" geschrieben vom werten Johann Wolfgang von Goethe

Samstag, 14. April 2012

Osterspaziergang

Nun, das Osterfest ist schon wieder vorbei und ich wette, ihr habt es euch mit Unmengen von Schokolade gut ergehen lassen. Was dies mit der Kreuzigung und Auferstehung eures Heilands zu tun hat, dass weiß auch nur der Allmächtige. Doch es sei euch gegönnt, auch Mephisto braucht einmal Ferien und deshalb werde ich mich heute auch möglichst kurz halten.

Bei Faust ist das Osterfest noch im vollen Gange und das ganze Dorf ist auf den Beinen. Die Burschen gaffen den Mägden nach (V.829), die Bürgermädchen sind neidisch, weil ihnen nicht hinterhergegafft wird (V.834-835) und träumen doch von mutigen Soldaten (V.881).
Die Bürger beschweren sich über ihren Bürgermeister (V.846-851), reden über Mord und Totschlag am anderen Ende der Welt und freuen sich, dass sie verschont bleiben (V.860-871).
Faust preist den Frühling, während sein Begleiter Wagner sich doch ein wenig unwohl fühlt (V.903-940; 941-944). Denkt da etwa jemand, dass er was besseres ist?
Die Dorfbewohner verehren Faust, dessen Vater während der Pest-Epidemie Arzt hier war (V. 981-990; 993-1005). Doch, was erfahren wir: so guttätig, wie alle glauben, war Faust Senior gar nicht. Viele starben nur, weil er ihnen die falsche Medizin gegeben hat (V.1048-1055) Und Faust Junior hat ordentlich mitgemischt (V. 1053). Also, wenn wir da nicht einmal die dunkle Seite des Gelehrten zu Gesicht bekommen haben! Er gefällt mir immer besser.
Nach dieser Beichte schweift Faust lieber ein bisschen ab und bewundert die Natur (V.1064-1099 ).
Doch, was sehen die beiden Spaziergänger da, als sie so des Weges gehen? Einen herrenlosen Pudel? (V.1147-1150 ). Wer das wohl ist...


Alle Versangaben beziehen sich auf die Reclam-Ausgabe von "Faust - Der Tragödie erster Teil" geschrieben vom werten Johann Wolfgang von Goethe.

Donnerstag, 29. März 2012

Going through hell


Die Nacht ist noch nicht zuende.

Seht nur, was ich gefunden habe bei meinem Streifen durch die scheinbar unendlichen Weiten des Internets: Das nächtliche Selbstgespräch des Doktor Faust, interpretiert von einem Schauspieler namens Will Quadflieg.


Äußerlich gefällt er mir schon einmal sehr gut. Ein ergrauter Mann, ja das ist unser Faust. Hat seine besten Jahre in staubigen Studierstuben verbracht.
Will Quadflieg spielt wütend, aufgebracht und zornig. Das stimmt sehr gut mit dem Eindruck überein, den ich vom Gelehrten bekommen habe. Es ist nicht Fausts Stil, sich in einer Ecke zu verkriechen und zu trauern, nein! Er verfällt nicht in stumme Depression, sondern er brüllt wie ein verletzer Löwe. Er bleibt nicht auf der Stelle stehen, wenn er auf seinem Weg nicht weiterkommt. Der Weg des Wissens kommt ihm immer sinnloser vor, "weil wir nichts wissen können!" (V.364) und so sucht er nach etwas, was sein Dasein auf eine andere Ebene heben kann, seinem Leben einen neuen Sinn gibt: Die Magie.
Enttäuscht ist er, und unzufrieden. Nichts weltliches kann ihn befriedigen (V.304-307). Anstatt auszugehen und die Nächte durchzufeiern, hat er - gelernt (V.387-389). "Gähn" kann ich, die Personifikation des lasterhaften Vergnügens, dazu nur sagen.
Faust raucht der Kopf von all dem unnützen Wissen, das er sich angeeignet hat (V.396). Er versinkt in Dingen, die ohnehin nur als Staubfänger dienen (V.405-409). Das richtige Leben will er kennenlernen! Abenteuer erleben (V.464-465)!
Gottgleich will Faust sein, doch da spielen die Geister nicht mit (V.512-513).
Doch trotz allem Zweifeln, aller Wut über seine Situation, kann Faust den letzten Schritt nicht tun. Den letzten Schritt, das ist, das Gift zu nehmen und zu sterben. Osterlicher Engels-Gesang holt den Gelehrten wieder ins Leben zurück. "Die Träne quillt, die Erde hat mich wieder!" (V.784)


Alle Versangaben beziehen sich auf die Reclam-Ausgabe von "Faust - Der Tragödie erster Teil" geschrieben vom werten Johann Wolfgang von Goethe.

Sonntag, 25. März 2012

The devil takes care of his own


In der Nacht

Ich habe es ja bereits erwähnt, unser Herr Faust ist ein ganz schön armes Schwein. Rackert sich ab und bekommt doch nichts dafür. Denkt er. Denn ihm ist das Beste noch nicht gut genug.
Solange hat er studiert, nur um zu merken, dass ihn Wissen nicht unbedingt klüger macht (V.354-359). 10 Jahre bringt er seinen Studenten etwas bei, von dem er weiß, dass es ihnen nichts bringt (V.361-364). Das nenne ich Einsicht! Doch schon schwingt Faust wieder in Selbstbeweihräucherung um: Er weiß zwar, dass niemand etwas wissen kann, hält sich aber für den Klügsten von all den Unwissenden (V.366-367). Keine Zweifel, behauptet er, plagten ihn (V.369). Also, sein ganzes Schaffen in Frage zu stellen, das würde ich doch als "Zweifeln" bezeichnen.
Was mir an seinem nächtlichen Selbstgespräch am besten gefällt, ist dieser Ausspruch: "Fürchte mich weder vor Hölle noch vor Teufel" (V.369). Faust, als wenn du wüsstest, was die Hölle ist. Als wenn du wüsstest, was oder wer der Teufel ist. Am meisten Angst musst du sowieso vor dir selbst haben. Und wer sagt, dass der Herr dir wohlgesinnt ist? Wahrscheinlich ahnst du nicht einmal, dass dieser mit deinem Schicksal würfelt.
Doch weiter im Text: Mit Magie will Faust es versuchen, auf dass sie ihm DIE Einsicht verschafft (V.378). Sonst noch was? Ich könnte dir da eine kleine Einführung in die Welt der Magie geben:


Nein, Spaß beiseite. Schließlich geht es hier um ein menschliches Wesen, das tief verzweifelt nach einem erfüllten Leben sucht. Doch keine Sorge, Faust, ich werde dir behilflich sein bei deiner Suche nach dem Glück. Auch wenn es nur kurz andauern wird.


Alle Versangaben beziehen sich auf die Reclam-Ausgabe von "Faust - Der Tragödie erster Teil" geschrieben vom werten Johann Wolfgang von Goethe.

Samstag, 24. März 2012

Ein Treffen mit dem Herrn

Auch der Herr hasst den Teufel nicht (FAUST I, V.336-337). So begibt es sich, dass wir von Zeit zu Zeit zusammenkommen, Nettigkeiten und konstruktive Kritik austauschen. Doch dieses eine Mal ging es ein wenig weiter als das. Die Sprache fiel auf den Gelehrten Faust. Die Menschheit ist ein geplagter Haufen (FAUST I, V.280), geknechtet von Vernunft (FAUST I, V.285-286), das ist eine Tatsache. Sie strampelt sich ab (FAUST I, V.286-292); seit Jahrhunderten ist es dasselbe. Doch mit Faust steht es noch schlimmer. Er ist getrieben und mit nichts, was er mit seinem gelehrten Verstand erreichen kann, zufrieden (FAUST I, V.304-307). Der Herr nennt ihn seinen "Knecht" (FAUST I, V.298) und das trifft es ziemlich gut. Er denkt, er kann aus ihm und seinem intellektuellen Potenzial irgendwann einmal einen Nutzen schlagen (V.310-311). Doch Faust will seine Ernte jetzt! Ich kann mir schlecht vorstellen, dass er nach Jahrzehnten gequältem Erdendasein als beispielsweise des Herren himmlischer Geschichtenerzähler enden will. Dafür wird er sich mit seiner Ausbildung wahrscheinlich auch überqualifiziert vorkommen.
Ich weiß nicht mehr, wer auf die Idee gekommen ist, auch wenn es wahrscheinlicher ist, dass ich es war: Eine Wette zwischen dem Himmel und der Hölle, zwischen dem Herrn und mir wurde geschlossen. Der Herr ist fest davon überzeugt, dass ein guter Mensch nicht vom rechten Weg abgebracht werden kann (FAUST I, V.327-329). Dass ich nicht lache! Das wird ein leichtes Spiel für mich. Bei diesen Vorraussetzungen kann ich nur gewinnen. Kein Mensch kann der Versuchung widerstehen, die der Teufel ihm anbietet. Besonders nicht der mit seinem Leben unzufriedenste von ihnen. Faust, mach dich auf etwas gefasst!

Alle Versangaben beziehen sich auf die Reclam-Ausgabe von "Faust - Der Tragödie erster Teil" geschrieben vom werten Johann Wolfgang von Goethe.

Zueignung

Das hat sich der Herr von Goethe ja schön überlegt. Dem werten Dichter reicht es nicht aus, die Ereignisse niederzuschreiben, die sich um den Gelehrten Faust und meine Wenigkeit drehen. Alles zwischen Himmel und Hölle, zwischen Liebe und Sehnen, Wissenschaft und Magie ist Gegenstand dieses menschlichen Dramas! Doch Goethe hat ein derart starkes Selbstempfinden, dass er das Stück in der Einleitung mit seinen eigenen Emotionen "bereichern" muss.
Doch nicht alles, was er in seiner "Zueignung" schreibt, ist gefühlsduseliger Pathos und Kitsch. Auch wahre Worte kann er sprechen: .
Die Mensch erlebt das Leben in einem "Wahn" (FAUST I, V. 4), in dem er "irrt" (FAUST I, V. 24). Doch hat er die Möglichkeit, wirklich glücklich zu sein, dann ist er "erschüttert" (FAUST I, V. 7). Der Mensch schauert (FAUST I,V. 29) und weißt nicht, wie ihm geschieht.
Das hier ist die Geschichte von Faust. Erzählt von mir, Mephistopheles.